4. Tag
06.09.00
Scheveningen-Scheveningen
SW 6
bewölkt
18°C
10,09 sm
1,5 h
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Als wir wach werden, ist das Hafenbecken leer. Die Rennjachten haben sich leise aus dem Staub gemacht. Nur die Kingfisher, eine Ein-Mann-Rennjacht der neuesten Generation, dümpelt noch am Steg. Wirklich ein High-Tech-Teil und super sauber gebaut.
Es bläst ordentlich, als wir uns fertig machen. Komplettes Ölzeug und Stiefel gehören zur Ausstattung, da es ab und zu regnet. Im Vorhafen setzen wir das Groß mit erstem Reff, zwischen den Molen kommt die Fock dazu. Gleich geht es stramm
los, und in den Wellenbergen, die uns entgegen kommen, streckt die Skua schnell den Bug ab und zu tief ins Wasser. Die grüne See an Deck kommt bis ins Cockpit gelaufen und wir werden ordentlich durchgerüttelt.
Das Wetter ist der Hammer, und als es auch noch anfängt zu gießen wird es ungemütlich. Plötzlich ist die Küste nicht mehr zu sehen. Außerdem werden alle immer stiller, und ich spüre die ersten Anzeichen der nahenden Seekrankheit. Der Wind scheint
noch zuzulegen, und da wir morgens den Seewetterbericht verpaßt haben und es wirklich hart zur Sache geht, kehren wir nach einer halben Stunde hoch am Wind um. Die Kreuzerei hätte sich den ganzen Tag hingezogen, und es wäre nicht angenehmer geworden. Nein Danke!
Im Hafen hören wir dann die Vorhersage: Alle Küstengebiete 7-8 aus SW. Welch ein Glück, daß wir wieder im Hafen liegen. Der Hafenmeister freut sich und meint, alle Jachten, die nach Süden wollten seien heute wieder zurückgekehrt. Bis auf die Regatta, die ging nach Ostende runter. Herzlichen Glückwunsch! Am Abend zuvor hatten wir uns noch über all die Schlipsträger lustig gemacht, die lässig auf ihren Schüsseln herum hingen.
Wir entdecken, daß in der Bilge Wasser steht. Scheinbar sind nach 8 Jahren die Dichtungen der Luken fällig. Andreas darf sich über klitschnasse Klamotten freuen, die aber im Hafentrockner schnell wieder auf Vordermann gebracht werden. Als es
nachmittags aufreißt, demontieren wir die Vordecksluke und erneuern die Dichtung. Nachmittags gehe ich noch mal zum Hafenmeister, um unser neues Marinalink-Projekt vorzustellen. Er ist ein junger Typ und wird der Sache sicher aufgeschlossen gegenüber stehen. Als ich die Tür zum Büro öffne, sitzt allerdings nicht er da, sondern eine hübsche Blondine mit riesigem Ausschnitt, der den Blick auf ein weitläufiges Dekolté freigibt. Das bringt mich etwas aus der Fassung, so daß ich wahrscheinlich keinen besonders intelligenten Eindruck hinterlasse. Die Vollbusige ist allerdings
freundlich und meint, die Information weiter zu geben.
Nach dem Abendessen (Bratkartoffeln mit Zwiebel und Ei) entschließen wir uns noch zu einem kleinen Spaziergang. Gegen den strammen Wind laufen wir auf die Hafenmole hinaus und suchen im Schutz des Leuchtturms Deckung vor der Gischt. Da entdecken
wir das Toplicht der Kingfisher, die sich träge gegen die Wellen raus schiebt. Wir freuen uns schon auf das garantierte Spektakel. Nachdem die Segel einmal oben sind, sehen wir sicher nur noch eine sprühende Gischtwolke und weg ist sie. Aber
nichts davon wird war. Stattdessen werden wir Zeugen von absolut unseemännischem Verhalten, das fast in einer Tragödie endet. Erst als sich die Kingfisher zwischen den Molenköpfen befindet, wird die Fock gesetzt, allerdings ist sie am Hals nicht festgeschäkelt. Gleich springt eine zweite Person der vierköpfigen Überführungsbesatzung dazu. Bei dem ganzen Chaos geht scheinbar auch noch die Schot fliegen, und so schiebt sich diese riesige Jacht haarscharf an unserem Molenkopf entlang. Der Motor ist wirklich nur eine Hilfsmaschine und kommt kaum gegen den Wind an. Als die ersten Brecher über die Kingfisher hinwegfegen, und sie verdammt weit krängen lassen, hören wir das panische Kreischen des an Bord befindlichen Mädchens bis
zu uns. Von diesem Schauspiel können wir uns einfach nicht fortreißen und so sehen wir, daß die Besatzung die Fock scheinbar nicht unter Kontrolle bekommt und wendet. Um bei dem auflandigen Wind genug Raum von der Mole zu haben, lassen sie die Maschine mit Vollgas laufen. Wir hören sie bis zu uns röhren. Unter der Fock, vor dem Wind, geht die Kiste richtig ab, und so fahren sie bis in den Hafen hinein. Auf unserem Rückweg sehen wir noch lange ihr Toplicht, das bei den Fischerhallen zum Stehen kommt. Dort haben sie festgemacht und scheinen fertig mit der Welt zu sein. Ein riesen Wuhling in der Fockschot zeugt von dem Chaos, das fast zur Strandung führte.
Fotos:
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